Frankfurter Ratsverfassung

Der König bzw. Kaiser war seit der Gründung 794 n. Chr. über mehr als 1000 Jahre hinweg der oberste Herr Frankfurts. Seit dem Spätmittelalter begannen die Bewohner der Stadt jedoch immer mehr, die Geschicke ihres Gemeinwesens in die eigene Hand zu nehmen und sich damit als „Bürger“ und als Bürgerschaft zu formieren; dem Kaiser blieb nur formal (verstärkt allenfalls in Zeiten innerstädtischer Konflikte) noch die Oberhoheit. Ab dem 13. Jahrhundert begannen die Bürger damit, eine eigene Ratsverwaltung aufzubauen. Der Rat teilte sich in drei Bänke zu je 14 Sitzen. Hinzu kam als Vertreter des Kaisers der Schultheiß. Während die dritte Ratsbank den relativ machtlosen Handwerkern vorbehalten war, konnten sich die einflussreichen Geschlechter die Herrschaft über die beiden oberen Ratsbänke sichern, darunter vor allem über die erste Bank, die neben der Verwaltung auch die Funktion des Schöffengerichts innehatte. Beim Tod eines Schöffen (erste Bank), wählte der Rat unter Berücksichtigung des Dienstalters aus der zweiten Ratsbank einen Nachfolger; bei einer Vakanz auf der zweiten Ratsbank (auch auf der Handwerkerbank) wählten die Ratsmänner den Nachfolger aus bestimmten Teilen der Bürgerschaft. Der Rat ergänzte sich mit diesem Verfahren also selbst und hatte damit der Zeit entsprechend ein obrigkeitliches Gepräge. Gewählt waren Ratsherren und Schöffen auf Lebenszeit.
Nachrückende Ratsherren wurden bevorzugt aus den beiden Frankfurter Patriziergesellschaften Alten-Limpurg und Frauenstein genommen. Wer dort nicht Mitglied war, hatte (von der Handwerkerbank abgesehen) über Jahrhunderte hinweg nur geringe Chancen, in den Rat berufen zu werden. Vereinzelt wurden jedoch immer auch nichtpatrizische Bürger in den Rat gewählt; dies verstärkt dann im 18. Jahrhundert, als erste umfassende Reformen zu greifen begonnen hatten. Faktisch bildeten Alten-Limpurg und Frauenstein im Herrschaftsgefüge der Reichsstadt somit das Tor zur Ratmacht und hatten zumindest darin eine ähnliche Funktion wie heute die politischen Parteien. Doch im Unterschied zu diesen waren sie einerseits nicht weltanschaulich und plural geprägt, waren ihrem Selbstverständnis nach also nicht "Part" (Partei), sondern erhoben den Anspruch, die Stadt als Ganzes zu repräsentieren. Zum anderen waren sie nicht wie moderne Vereine frei für jedermann zugänglich, sie stellten stattdessen weitgehend geschlossene Familienverbände dar, deren Mitglieder sich durch Abstammung oder standesgleiche Einheirat rekrutieren und die im Lauf der Zeit immer mehr einem adlig exklusiven Selbstverständnis folgten. Damit lag die Ratsherrschaft über Jahrhunderte hinweg fest in Händen der in diesen beiden Gesellschaften versammelten Familien – eben dem Patriziat.